Das Prinzip Attraktivität

 

Die neue Strategie: In einer globalen und auf Wettbewerb ausgerichteten Welt ist Attraktivität die wichtigste Eigenschaft

 

 

Die Faktoren Wohlstand, Bildung und Mobilität haben dazu geführt, dass Armut, Not und Abhängigkeiten in weiten Teilen der westlichen Gesellschaften abgebaut werden konnten. Statt Mangel herrscht Überfluss. Wir haben freie Auswahl. Wir können den Partner, den wir heiraten wollen, frei wählen, das Auto oder das Handy, das wir kaufen, das Land und die Stadt, in der wir wohnen, unsere Freunde, den Bildungsgrad und den Beruf; es kommt nur auf unser Geschick, unseren Ehrgeiz, unsere Vorlieben und Neigungen an.

 

In einer Welt ohne Grenzen steht uns eine unendliche Zahl an Möglichkeiten offen. Von dieser Wahlmöglichkeit wird lebhaft Gebrauch gemacht. Unternehmen siedeln sich dort an, wo die Arbeitskräfte am billigsten sind, Männer suchen im Internet nach erotischen Frauen und Frauen nach interessanten Männern und viele sind bereit, ihren aktuellen Partner zu verlassen, sobald sich etwas Besseres findet.

 

Die Welt ist enger zusammen gerückt. Regionen und Kulturen stehen im harten Wettbewerb zueinander. Waren- und Geldströme werden in Windeseile von einem Kontinent zum anderen transferiert. Und dazwischen: Der einzelne Mensch.

 

Die Anforderungen, die eine solche Situation an das Individuum stellt, sind enorm. Die Konkurrenz ist groß. Es gibt immer einen, der stärker, schöner, reicher, intelligenter oder billiger ist. Und am schlimmsten: Man muss sich nicht mehr nur mit dem Nachbarn messen lassen, sondern mit einem weltweiten Pool an Anbietern, auf welchem Markt man sich auch immer bewegen mag.

 

Angesichts eines Angebots an Waren, Dienstleistungen, Kulturgütern und Werten, die weltweit gehandelt werden, gelten nicht mehr die ökonomischen Gesetze des Mangels und der knappen Güter, sondern die des Überflusses.

 

Wenn Kunden und Abnehmer unter einer Vielzahl von Angeboten auswählen können, dann werden sie sich für das günstigste oder aber für das attraktivste Angebot entscheiden. Ob auf dem Waren-, Dienstleistungs- oder Beziehungsmarkt: das attraktivste Paket gewinnt. Das ist bei der Partnerwahl nicht anders, als bei der Auswahl von Bewerbern um eine Arbeitsstelle. Wer nicht attraktiv genug ist, hat schon verloren. Ob als Hersteller, als Dienstleister, als Arbeitssuchender oder als Liebesbedürftiger.

 

Die Märkte haben schon längst darauf reagiert. Produktdesign, Servicepakete, Preis- Leistungsverhältnis, Markenimage, all das sind wichtige Merkmale in einem harten und immer globaler werdenden Wettbewerb. Ohne sie kommt man nicht mehr aus. Der Preis allein zählt nicht mehr. Man muss sich mächtig anstrengen, um mit der Konkurrenz mithalten oder sich gar von ihr absetzen zu können.

 

Auch wir selbst sind Marktteilnehmer. Ob Hindu, Chinese, Moslem, Jude oder Westeuropäer, wir sind als Gesellschaft, aber auch als Individuum den Marktkräften ausgesetzt. Wem seine Religion nicht mehr gefällt, kann sie wechseln und zu einer anderen Glaubensrichtung konvertieren. Wenn mir die CDU nicht mehr passt, wähle ich das nächste mal eben FDP, die Grünen, die SPD oder verweigere allen Parteien meine Stimme. Wer sich in Deutschland nicht mehr wohl fühlt, wandert aus. In die Schweiz, nach Finnland, Kanada oder die USA.

 

Wir haben viele Möglichkeiten und Optionen hinzugewonnen, unsere Umgebung jedoch auch. Wir können uns für, aber auch gegen etwas entscheiden. Was hält eine Ehe zusammen? Früher waren es Not, Elend und gesellschaftliche Zwänge. Und heute? Not und Elend als einigendes Band sind genauso weg gefallen, wie die gesellschaftlichen Zwänge. Die Folge: Immer mehr Ehepaare landen vor dem Scheidungsrichter. Warum? Weil der eine oder der andere Partner entweder etwas Besseres gefunden hat oder das Alleinsein einer immerwährenden Frustration vorzieht. Man kann ja wählen. Sowohl Bindungsbereitschaft, als auch Bindungstiefe lassen immer mehr nach.

 

Wenn Muslime über mangelnde Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft klagen, dann hat es auch etwas damit zu tun, dass wir uns nicht mit ihnen abgeben müssen. Wir können uns raussuchen, mit wem wir unser Feierabendbier trinken oder wen wir zum Grillen einladen. Wir umgeben uns einfach lieber mit Menschen, in deren Nähe wir uns wohlfühlen, mit denen wir eine gemeinsame Gesprächsebene finden, die uns interessieren, amüsieren und gut unterhalten. Wenn ein Muslim diese Kriterien erfüllt, okay, dann ist er uns willkommen, wenn nicht, dann werden wir uns nicht sonderlich anstrengen, eine innige Freundschaft mit ihm aufzubauen. Warum auch? Es gibt ja keinen Leidensdruck, der uns dazu zwingt. Muslime fallen dem Überangebot zum Opfer. Dem Überangebot an anderen Alternativen. Das ist nicht böse gemeint, das ist eben die Realität des Beziehungsmarktes. Diese Realität bestraft jeden, der andere Sitten und Gebräuche pflegt, der eine fremde Sprache spricht und sich deshalb nicht unterhalten kann, der einer anderen Kultur angehört oder schlicht und einfach nur langweilig, uncharmant, chauvinistisch oder zickig ist. Den Umgang mit Menschen, denen es an reizvollen Attributen, an emotionaler Intelligenz oder sozialer Kompetenz fehlt, tut sich auf Dauer niemand freiwillig an. Man wird nicht ihre Nähe suchen und sich mit ihnen anfreunden. Diese Form der Auslese trifft aber nicht nur Muslime, sie droht jedem Menschen, der sich nicht ausreichend artikulieren kann, dem es an Charme mangelt oder der sich einfach nur schlecht benimmt.

 

Wir müssen uns also anstrengen. Wir müssen unsere Attraktivität steigern, um nicht als fade und langweilig zu gelten. Attraktivität wird heutzutage meist mit Schönheit gleichgesetzt. Deshalb dürfen wir nicht alt werden, müssen jung bleiben, müssen mit der Mode gehen, unseren Körper stählen und kosmetisch oder chirurgisch verschönern. Attraktivität ist unser wichtigstes Attribut. Wir spüren das instinktiv. Womit könnten wir sonst noch punkten? Die Konkurrenz schläft nicht. Wir haben keine andere Wahl, wir müssen irgendwie beeindrucken, denn sonst werden wir verlassen oder entlassen und aussortiert, wenn wir überhaupt je die Chance hatten vor den Augen unserer Mitmenschen und Chefs Gnade zu finden. Vielleicht hat es nicht einmal dazu gereicht.

 

Das Leben in einer liberalen Überflussgesellschaft ist hart, ja vielleicht sogar härter, als es Notzeiten mit sich bringen. Not schweißt zusammen, Überfluss trennt. Überfluss trennt in attraktiv und in unattraktiv, in Gewinner und Verlierer, in topp oder flopp. Deshalb boomt gerade alles, was verspricht, uns noch attraktiver zu machen. Das ist ein Milliardenmarkt. Das ist der Megatrend mit der höchsten Wachstumsrate schlechthin. Nicht Biotechnologie, Umweltschutz oder alternative Energieformen – das Geschäft mit der Schönheit ist der Renner. Das wird auch die nächsten Jahre so bleiben.

 

Doch definiert sich Attraktivität wirklich nur über Schönheit, Glamour, makellose Fassade und perfektes Design? Zunächst schon, denn der erste Eindruck zählt. Deshalb wird nirgendwo so gnadenlos getrickst, wie bei der Optik. Der Inhalt ist zweitrangig, die Hauptsache das Äußere stimmt. Da wird geschönt und manipuliert auf Teufel komm raus. Ob zu chirurgischen Mitteln oder zur Lebensmittelfarbe gegriffen wird, der Zweck ist derselbe: Der Natur muss notfalls nachgeholfen werden, wenn sie nicht von sich aus alles harmonisch zusammenfügt.

 

Die Ansprüche an perfektes Aussehen und ein attraktives Gesamtbild werden immer höher und der Druck setzt immer früher ein. Von Lehrstellenbewerbern werden inzwischen nicht nur gute Noten erwartet, sondern auch ein ansprechendes Äußeres, Sozialkompetenz, Flexibilität und größtmögliches Entwicklungspotential. Man muss sich als Arbeits- oder Lehrstellensuchender selbst vermarkten und möglichst gut verkaufen. Dasselbe gilt für den Beziehungsmarkt. Die Erwartungen sind gestiegen. Wir müssen etwas bieten können. Man muss nicht nur Interesse wecken, sondern schlussendlich auch dauerhaft überzeugen, sonst läuft man Gefahr, irgendwann durch eine attraktivere Alternative ausgewechselt zu werden.

 

Wie schon gesagt, die Bindungstiefe nimmt ab und damit verlieren die Tugenden Treue und Verlässlichkeit immer mehr an Wert. Wir können nicht mehr auf sie vertrauen. Es herrscht ein Wettbewerb der Fittesten. Und damit steht fest, dass sich Attraktivität zur wichtigsten Eigenschaft entwickelt hat. Attraktivität folgt somit keinem Selbstzweck, sondern hat eine wichtige Funktion. Ob es um Standortvorteile von Regionen geht, ob es darum geht Investoren zu gewinnen, Käufer für das eigene Produkt zu begeistern, einen Arbeitsplatz zu ergattern oder im umgekehrten Fall den besten Nachwuchs und die kompetentesten Mitarbeiter an sich zu binden, einen liebevollen Partner zu finden und zu behalten, immer hat derjenige Anbieter die Nase vorne, der das attraktivste Paket anzubieten hat. Attraktivität ist der Schlüssel zum Erfolg und zwar in allen Märkten, in denen starker Wettbewerb herrscht.

 

Wie definiert sich jedoch Attraktivität? Das ist eine sehr spannende Frage. So richtig weiß das nämlich niemand. Es gibt zwar Wissenschaftler, die sich mit dem Thema Attraktivität beschäftigen, doch die Forschung steckt noch in ihren Anfängen. Deshalb müssen wir uns selbst dieser Frage annähern. Was ist attraktiv und was nicht? Es gibt schließlich nicht nur einen Attraktivitätsfaktor. Genauso wenig wie es die Attraktivität schlechthin gibt.

 

Attraktivität ist ein vielschichtiges Phänomen. Es ist deshalb so schwierig einzugrenzen, weil die Entscheidung darüber nicht bei uns, sondern beim Betrachter und seinen Vorlieben und Bedürfnissen liegt. Und die kennen wir meist gar nicht oder nur oberflächlich. Wir können höchstens Mutmaßungen darüber anstellen. Doch eines steht fest: Immer sind mehrere Aspekte beteiligt, ganz selten nur ein einzelner. Der Mix macht es also aus. Das ist trostreich, denn so hat jeder eine Chance. Sonst wären alle Menschen, die über ein wohlgefälliges Äußeres verfügen, grundsätzlich im Vorteil. Wenn ein gut aussehender Mensch nicht genügend Bildung mitbringt, dann gibt es heutzutage schnell etliche Punkte Abzug, denn Bildung ist eine wichtige Schlüsselkompetenz. Genauso wie ein gewisses Stilempfinden, Manieren, Charme, Humor oder emotionale Intelligenz. Das gilt nicht nur für uns als Person, sondern auch für Firmen, Behörden, Verbände, Parteien, Organisationen oder gar ganze Gesellschaften. Die inneren Werte sind mindestens genauso entscheidend, wie der äußere Eindruck. Mag man beim ersten Blick noch überzeugen, so fällt man unter Umständen ganz schnell durch, wenn der innere Gehalt mit der Fassade nicht mehr mithalten kann. Innere Schönheit kann äußerliche Mängel wettmachen, aber umgekehrt wird es schon schwieriger, zumal äußere Schönheit mit der Zeit vergeht, aber innere Werte nicht.

 

Wie immer man es sehen mag, wir können ohnehin nicht alle Bedürfnisse bedienen und allen Anforderungen gerecht werden. Doch eines können wir uns überhaupt nicht leisten: komplett unattraktiv zu sein. Leider trifft das auf sehr viele Menschen, Produkte, Firmen, politische Programme, Organisationen und Regionen zu. Sie stoßen auf Ablehnung oder mangelndes Interesse und wundern sich, dass sich niemand so richtig für sie begeistern kann. Nehmen wir zum Beispiel Griechenland. Griechenland ist aus vielerlei Gründen unattraktiv. Es fehlt an Infrastruktur, es fehlt an funktionierenden Administrationen, es fehlt an kompetenten Facharbeitern, es fehlt an Know How und noch vielem anderem mehr. Die für dieses Land so wichtigen Investitionen und Firmenansiedlungen bleiben deshalb so lange aus, bis diese Defizite behoben sind und Griechenland attraktiv genug ist um konkurrenzfähig zu sein.

 

Vielleicht gewinnt unser Thema an Fahrt, wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, was als unattraktiv, als "no go" gilt. Da bringen wir schnell einen ganzen Katalog zusammen.

 

Ein ungepflegtes Erscheinungsbild steht an erster Stelle. Eigentlich versteht es sich von selbst, dass Attraktivität zunächst vom ersten Eindruck abhängt. Wer keinen Wert auf sein Äußeres legt, will dem Grunde nach niemanden für sich gewinnen, das wird zumindest signalisiert. Man muss schon ein sehr sympathisches Wesen haben, um dann noch zu überzeugen. Das bedeutet nicht, dass wir nach der neuesten Mode gekleidet sein müssen oder nur in Designer- oder Markenware herumlaufen sollen, aber mangelnde Hygiene und schlampige Kleidung sind nicht entschuldbar. Genauso verhält es sich mit der Sauberkeit unserer Innenstädte oder einzelner Stadtteile. Unrat, sowie Spuren von Vandalismus müssen so schnell wie möglich beseitigt werden, sonst geht es mit der betreffenden Gegend immer mehr bergab. Sie wird zunehmend als unattraktiv empfunden werden. Diejenigen, die es sich leisten können, ziehen weg und zurück bleiben marode Firmen und verarmte Bevölkerungsschichten. Ein gepflegter Auftritt, eine aufgeräumte Landschaft, ein geordnetes Umfeld, eine gute Infrastruktur strahlen Stil und Klasse aus und wirken anziehend. Dort will man sich gerne aufhalten und längere Zeit verweilen. Vor Zuständen wie in Neapels Straßen mit ihren Müllbergen oder Griechenlands verschmutzten Häfen kann man jedoch nur flüchten oder einen großen Bogen machen.

 

Ein weiteres "no go" ist der verantwortungslose Umgang mit Geld und Eigentum. Diese Erfahrung haben schon etliche gescheiterte Pleitiers machen müssen. Eine Insolvenz als solche mindert bereits das Ansehen, die Tatsache, dass bei so Manchem offenbar nicht nur kaufmännische Fehler, sondern auch der Hang zum Luxus zu der desolaten Finanzsituation geführt haben, erweist sich zusätzlich als imageschädlich. Griechenland wird der allzu sorglose Umgang mit den eigenen Staatsfinanzen von ganz Resteuropa unter die Nase gehalten.

 

Der Attraktivitätsfaktor Reichtum verliert an Glanz, wenn er auf Kosten anderer erlangt wurde oder zur Befriedigung des eigenen Selbstdarstellungstriebes missbraucht wird. Doch auch wer notorisch klamm ist, kann kein großes Attraktivitätspolster aufbauen. Besonders Schnorrer, Arbeitsverweigerer und Sozialschmarotzer haben schlechte Karten, wenn es um die Verteilung von Sympathiepunkten geht. Man mag sie nicht. Sie kommen schlecht an. Wer vermögend ist und es sich leisten kann, großzügig zu sein, demonstriert dagegen Stärke, Potenz und soziale Verantwortung, sofern er andere an seinem Wohlstand teilhaben lässt. Geizhälse und Gewinnmaximierer müssen sich hingegen vorwerfen lassen, der sozialen Gerechtigkeit zu schaden. Sie wird man meiden, wann immer es möglich ist. Das kann sich irgendwann als entscheidender Wettbewerbsnachteil erweisen.

 

Bildungsmangel ist ein weiteres "no go". Ohne ein Mindestmaß an Bildung können wir nirgendwo landen. Bei keinem Arbeitgeber, bei keinem Kunden, bei keinem Partner, der etwas auf sich hält. Es mag vielleicht noch zu einer Boxer- oder Rapperkarriere reichen, aber ansonsten bleibt der Weg nach oben verschlossen. Ohne Bildung schafft man es nicht zu Rang und Ansehen. Die Anerkennung der Gesellschaft bleibt den bildungsfernen Schichten versagt. Es gibt keinen Markt für Menschen ohne einen vernünftigen Schulabschluss. Die Gebildeten machen das Rennen. Je höher die Qualifikation, umso größer ist die Auswahl an Jobangeboten und umso begehrter ist man auf dem Beziehungsmarkt. Ein hoher Bildungsgrad ist neben einem gepflegten Erscheinungsbild einer der wichtigsten Schlüsselfaktoren für Attraktivität und kann so manchen Schönheitsfehler ausgleichen. In Betrieben sind es die Innovationen und das firmeneigene Know How, die darüber entscheiden, ob man sich erfolgreich gegen die Konkurrenz behaupten kann. Ohne eine gut funktionierende Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit qualifiziertem Personal und einem ständigen Angebot an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen verliert man schnell den Anschluss. Die Attraktivität ganzer Regionen steht und fällt unter anderem mit der Qualität und Dichte an Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen.

 

Kommen wir zu einem weiteren Schlüsselfaktor: der emotionalen Intelligenz und den sozialen Beziehungen. Wo sie im Argen liegen, setzt die Flucht ein. Emanzen, Zicken, Machos und Chauvis turnen ab. Wo humorvolle und freundliche Menschen den Mittelpunkt jeder Kaffeerunde bilden, bleiben Choleriker und Hysterikerinnen auf Dauer einsam. Neid, Geiz, Arroganz und Lieblosigkeit haben die erotische Wirkung von Knoblauch. Man kann Typen mit diesen Eigenschaften mit der Zeit nicht mehr riechen. Wer auf seine Mitmenschen attraktiv wirken möchte, braucht andere Attribute. Höflichkeit, Wohlwollen, Mitgefühl, Fingerspitzengefühl, Takt, Bescheidenheit, Gastfreundschaft, Toleranz, Humor, gute Manieren, Kontakt- und Teamfähigkeit sind gefragt. Die neoliberalen Marktstrategien legen auf derlei Tugenden keinen Wert. Zu Unrecht. Wer trotz hoher Gewinnmargen tausende von Arbeitsplätzen wegrationalisiert, wer Millionenbeträge an Steuern hinterzieht, wer seine Kunden und Mitarbeiter bespitzelt und im großen Stil Entscheidungsträger besticht, schadet dem sozialen Frieden und verliert an Glaubwürdigkeit und Integrität. Das Markenimage, ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, erleidet großen Schaden.

 

Wer im Leben keinen Sinn sieht, dem fehlen Hoffnung und Zuversicht. Pessimismus ist einer der größten Abturner überhaupt. Ob er uns als Kulturpessimismus begegnet oder als ewige Nörglerei der notorisch Unzufriedenen. Das vermiest jede Stimmung und jede Freude an dem, was bereits erreicht wurde oder auf einem guten Weg ist. Man könnte meinen, das sei eine typisch deutsche Unsitte. Wir tun uns damit überhaupt keinen Gefallen. Wir machen uns selbst unattraktiv und ziehen uns von unserem guten Niveau herunter. Anstatt das Positive herauszustellen, meckern wir an den Schwachstellen herum. Das ist Negativwerbung der schlimmsten Sorte und fährt unseren Attraktivitätsfaktor tief in den Keller. Wenn einem klar geworden ist, wie wichtig Attraktivität in der heutigen Zeit ist, dann kann man sich eine solche Einstellung auf keinen Fall mehr leisten. Wer weltweit um zahlungskräftige Kunden, um Investoren, um die besten Forscher und Wissenschaftler buhlt, muss attraktiver sein als die Konkurrenz. Er muss Optimismus verbreiten und Visionen anbieten, die begeistern. Im Privatbereich wirken Optimisten einfach attraktiver als Pessimisten. Optimisten versprühen eine positive Energie, sie verbreiten Zuversicht und Hoffnung. Sie entwickeln Pläne und können ihre Mitmenschen mitreißen. Sie sehen im Leben einen Sinn, vertrauen auf ihre Stärke und erhöhen damit ihren Attraktivitätsfaktor.

 

Wir sehen an diesem Katalog, dass Attraktivität von sehr vielen verschiedenen Aspekten abhängt und dass man sehr aufpassen muss, die Wirkung von zwei positiven Aspekten nicht durch einen negativen zu zerstören. Denn es zählt immer nur das Gesamtpaket. Verona Pooth hat an ihrer Schönheit nichts eingebüßt, ihr bisher sehr hoher Attraktivitätsfaktor leidet jedoch unter den Negativschlagzeilen ihres Mannes. Nokia war eine sehr beliebte Handymarke, hat jedoch durch die Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland einen großen Imageschaden hinnehmen müssen und Marktanteile verloren. Chinas Ansehen hat wegen der Menschenrechtsverletzungen in Tibet weltweit gelitten. Neapel ist angesichts der ungelösten Müllprobleme keine Reise mehr wert. Atomstrom ist nach Fukushima in Deutschland noch unattraktiver geworden, als er zuvor schon war, deshalb gibt es jetzt eine Energiewende.

 

Es gibt zu Verona Pooth, zu Nokia, zu China und Neapel jede Menge andere Alternativen, aber auch zu Ihnen und zu mir. Haben Sie schon eine Trennung oder eine Scheidung hinter sich? Dann wissen Sie wovon ich rede. Dann gab es jemanden, der Ihnen oder Ihrem Partner besser gefallen hat oder aber Sie beziehungsweise Ihr(e) Partner(in) fanden das Alleinsein attraktiver.

 

Wer noch nirgends landen konnte und weder einen Job ergattert hat, noch bei potentiellen Partnern ankommt, hat ein Attraktivitätsproblem. Kosovo, Afghanistan, Simbabwe und all die anderen Armenhäuser der Welt, sie haben ein Attraktivitätsproblem oder würden Sie freiwillig dorthin gehen? Aber auch Griechenland, Spanien, Portugal und Irland sind nicht wirklich attraktiv. Ihre Wirtschaft liegt darnieder. Oder anders gefragt: Hat sie je existiert? Offenbar sind diese Länder nicht attraktiv genug für Industrieansiedlungen.

 

Wir sehen also, in einer globalen und auf Wettbewerb ausgerichteten Welt ist Attraktivität die wichtigste Eigenschaft. Doch dazu zählt mehr, weit mehr, als nur schöne Strände, aufgespritzte Lippen, ein Porsche vor der Haustür oder die geschönte Fassade auf einem Hochglanzprospekt.