"Die narzisstische Gesellschaft" von Hans-Joachim Maaz.

Das Gier-Syndrom - Warum unsere Gesellschaft in die Narzissmus-Falle geraten ist

Ich bin sehr froh und dankbar, dass mit Hans-Joachim Maaz endlich ein anerkannter Autor und Fachmann dieses gesellschaftlich so relevante Thema Narzissmus aufgegriffen und thematisiert hat.

 

Sowohl in den prekären Auswirkungen, als auch hinsichtlich der Tragweite dieses Phänomens bin ich absolut mit ihm einig.

 

Hans-Joachim Maaz führt die Ursachen unserer narzisstischen Bedürftigkeit und der damit verbundenen exzessiven Gier allerdings

einzig auf einen Mangel an erhaltener Mutterliebe zurück. Hier kann ich ihm genauso wenig folgen, wie seiner Ansicht, dass dieser so erlittene  frühe Schmerz, dass diese tiefe Wunde nie geheilt und das Bedürfnis nach Anerkennung und Liebe somit nie gestillt werden kann.

Natürlich sind die Ursachen narzisstischer Kränkungen und Defizite häufig in frühkindlichen Mangelerfahrungen zu suchen. Ohne jeden Zweifel, aber dies allein kann dieses Massenphänomen nicht erklären. Ich teile daher viel eher die Auffassung von Sigmund Freud und Erich Fromm, wonach es sich beim Phänomen Narzissmus um einen von drei archaischen Urtrieben handelt.

 

Laut Fromm existiert in uns allen ein narzisstischer Kern, der danach strebt, sich zu entfalten und sich in einem möglichst guten Licht darstellen zu können. Dieser Kern ist mit einer starken Energie aufgeladen, die mitunter sogar unseren Sexualtrieb übertrifft.

So lange wir nicht anerkennen, dass wir über einen narzisstischen Trieb verfügen, der danach giert, ähnlich wie unser Sexualtrieb ständig befriedigt zu werden, so lange werden wir keine Mittel und Wege finden, unsere aktuelle gesellschaftliche Krise zu überwinden.

Hier fällt allerdings meine Prognose zuversichtlicher aus, als die des Fachmanns. Hans-Joachim Maaz, geprägt von seinen beruflichen Erfahrungen als Psychiater und Psychoanalytiker und als Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses Halle zweifelt daran, dass sich unsere narzisstischen Wunden und Kränkungen je heilen lassen. In vielen Fällen ist dieses Unterfangen bestimmt aussichtslos. Hier gebe ich ihm recht. 

 

Zu einem großen Teil ist unser narzisstisches Bedürfnis nach Selbstentfaltung und Selbstdarstellung jedoch nicht krankhaft, sondern triebgesgteuert. Es muss somit ähnlich wie im Falle des Sexualtriebs durchaus befriedigt werden können, wenngleich die Befriedigung sicher nicht immer gelingt und auch nicht unbedingt von langer Dauer sein wird.

 

Aufgabe unserer Gesellschaft ist es, Wege und Möglichkeiten zu finden, unsere narzisstische Triebhaftigkeit anzuerkennen und ihr zu einer angemessenen und gleichzeitig gesellschaftskonformen Befriedigung zu verhelfen.